Sein und Werden
Andrea Durán, Oded Wagenstein, Doro Zinn

 

Vernissage 07.11.25 um 19:00

 

schöneberger art

Samstag 01.11.25 14:00 bis 20:00

Sonntag 02.11.25 12:00 bis 18:00

Ausstellung vom  01.11.25 bis 14.02.26
Freitag 14:00 bis 17:00
Samstag 14:00 bis 18:00

 

www.fotoparisberlin.com

www.institutfrancais.de

www.freelens.com

 

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Im Zentrum dieser Ausstellung stehen die transformierenden Kräfte, die unser Leben prägen. Sie verbinden das Sichtbare mit dem Unsichtbaren und das Rationale mit dem Paradoxen. Wie können Verbindungen entstehen, und wo führt die Suche nach Zugehörigkeit zu Spannungen? Wo offenbaren sich die Magie und die Absurdität des Alltags? FREELENS Young Professionals und Fotograf*innen der Hamburg Portfolio Review werfen einen Blick auf die Rituale, Widersprüche und verborgenen Kräfte, die unser menschliches Dasein formen.

 

Durch fragmentarische Ansätze und visuelle Erzählungen der Arbeit von 'Andrea Duran, Oded Wagenstein, Doro Zinn, wird die Ausstellung zu einem Dialog über die Komplexität des menschlichen Lebens. Sie ist eine Einladung, neue Perspektiven zu entdecken, gesellschaftliche Realitäten zu hinterfragen und die facettenreiche Natur unserer gemeinsamen Existenz anzunehmen.

 

Der FREELENS e.V. wurde 1995 von 128 Fotojournalist*innen gegründet, um der fortschreitenden Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Fotograf*innen entgegenzuwirken. Heute zählt der Berufsverband rund 2.100 Mitglieder und ist damit die größte Organisation für professionelle Fotograf*innen in Deutschland.

 

Ausstellung unterstützt von FREELENS & Hamburg Portfolio Review

 

Andrea Duran: Mi hermana tiene miedo del fin del mundo

 

Andrea Durán untersucht ein zutiefst persönliches und doch universell gültiges Thema anhand eines visuellen und textuellen Dialogs mit ihrer Schwester, die während ihrer Jugend eine intensive Angst vor dem Weltuntergang entwickelte. Ausgelöst durch alarmierende Medienberichte und wissenschaftliche Prognosen zur Klimakrise wurde diese Angst zu einer Linse, durch die Durán die Ängste, die Vorstellungskraft und die Rebellion ihrer Generation untersucht. Das Werk verbindet Fotografien mit Auszügen aus den Tagebüchern ihrer Schwester und aktuellen Gesprächen und bewegt sich zwischen Fiktion und Realität, wobei es einen Raum aufzeigt, in dem Angst zum Katalysator für Hinterfragen und Veränderung wird. Duráns Bilder fangen flüchtige Eindrücke ein: künstliches Licht, veränderte Farben und kleine Tiere, die sich in veränderten Ökosystemen zurechtfinden müssen. In diesen poetischen Fragmenten ist die Apokalypse kein Spektakel, sondern ein langsamer Zerfall, der bereits im Gange ist – eine Welt, in der Motten unter neonfarbenen Himmeln die Orientierung verlieren und die Sonne immer näher rückt.

 

Oded Wagenstein: Like Last Year’s Snow

 

In dem abgelegenen Dorf Yar-Sale in Nordsibirien traf Oded Wagenstein auf eine Gruppe älterer Frauen, die einst Teil einer nomadischen Gemeinschaft von Rentierzüchtern waren. Jetzt leben sie im Alter in der Einsamkeit, getrennt von der Natur und den Traditionen, die einst ihr Leben geprägt haben. Um das Dorf zu erreichen, muss man einen Flug nehmen und anschließend eine 60-stündige Zugfahrt von Moskau aus sowie eine siebenstündige Fahrt über einen gefrorenen Fluss zurücklegen. Über viele Tage und unzählige Tassen Tee hinweg erzählten die Frauen ihre Geschichten, sangen Wiegenlieder und sprachen über ihre Sehnsüchte – Fragmente einer Lebensweise, die zunehmend verschwindet. Wagensteins Arbeit befasst sich hauptsächlich mit dem Thema des Älterwerdens und älteren Menschen in verschiedenen Gesellschaften. In dieser Serie kombiniert er Porträts der Frauen mit Bildern der Landschaft, in der sie einst lebten. Erinnerungen und gegenwärtige Realitäten verflechten sich und bieten ein visuelles Zeugnis für ein Leben im Wandel. Der aus einem jiddischen Ausdruck stammende Titel, der etwas nicht mehr Relevantes bedeutet, widerspricht sich sanft selbst und betont, dass diese Frauen und ihre Geschichten immer noch wichtig sind.

 

Doro Zinn: Future Kids

 

Leila, Coco, Mo und İlhan sind vier junge Menschen, die als Kinder muslimischer Einwanderer aus der Türkei bzw. Palästina in Deutschland aufgewachsen sind. Seit 2016 arbeitet Doro Zinn mit ihnen an Fragen der Identität, Zugehörigkeit und Repräsentation. Sie navigieren durch Identitäten, die von Migrationsgeschichten und zeitgenössischen Realitäten geprägt sind, und bewegen sich dabei zwischen gentrifizierten Stadtvierteln und Hochhäusern, Hip-Hop und Tradition, Sozialleistungen und Glauben. Ihre Eltern kamen als sogenannte Gastarbeiter:innen nach Deutschland – als Teil der Nachkriegsarbeitskraft, die nie bleiben sollte. Während einige Migrantengemeinschaften nach und nach in das soziale Gefüge Deutschlands integriert wurden, sehen sich Millionen von Muslimen bis heute systematischer Ausgrenzung und Rassismus ausgesetzt. Durch Dokumentarfotografie, intime Porträts, Archivmaterial und persönliche Beiträge der Protagonist*innen – darunter Texte und Rap-Songs – schafft Zinn eine vielschichtige Erzählung. Gemeinsam mit Leila, Coco, Mo und İlhan hinterfragt sie überlieferte Stereotypen und fordert Raum für differenziertere, selbst definierte Geschichten einer Generation, über die oft gesprochen wird, die aber selten zu Wort kommt.

 

Sein und Werden (being and becoming)

 

At the heart of this exhibition are the transformative forces that shape our lives. They connect the visible with the invisible and the rational with the paradoxical. How can connections emerge, and where does the search for belonging lead to tensions? Where do the magic and absurdity of everyday life reveal themselves? FREELENS Young Professionals and photographers from the Hamburg Portfolio Review examine the rituals, contradictions, and hidden forces that shape our human existence.


Through fragmentary approaches and visual narratives of the work of Andrea Duran, Oded Wagenstein, and Doro Zinn, the exhibition becomes a dialogue about the complexity of human life. It is an invitation to discover new perspectives, question social realities, and embrace the multifaceted nature of our shared existence.
FREELENS e.V. was founded in 1995 by 128 photojournalists to counteract the progressive deterioration of working conditions for photographers. Today, the professional association has around 2,100 members, making it the largest organization for professional photographers in Germany.
Exhibition supported by FREELENS & Hamburg Portfolio Review

 

Andrea Duran: Mi hermana tiene miedo del fin del mundo

 

Andrea Durán explores a deeply personal yet universally relevant theme through a visual and textual dialogue with her sister, who developed an intense fear of the end of the world during her adolescence. Triggered by alarming media reports and scientific predictions about the climate crisis, this fear became a lens through which Durán explores the anxieties, imagination, and rebellion of her generation. Blending photographs with excerpts from her sister's diaries and contemporary conversations, the work moves between fiction and reality, revealing a space where fear becomes a catalyst for questioning and change. Durán's images capture fleeting impressions: artificial light, altered colors, and small animals struggling to navigate altered ecosystems. In these poetic fragments, the apocalypse is not a spectacle but a slow decay already underway—a world where moths are disoriented under neon skies and the sun creeps ever closer.

 

Oded Wagenstein: Like Last Year’s Snow

 

In the remote village of Yar-Sale in Northern Siberia, Oded Wagenstein encountered a group of elderly women who were once part of a nomadic community of reindeer herders. Now, in their old age, they live in isolation, separated from nature and the traditions that once shaped their lives. Reaching the village requires a flight, a 60-hour train ride from Moscow, and a seven-hour journey across a frozen river. Over many days and countless cups of tea, the women shared their stories, sang lullabies, and spoke of their longings—fragments of a way of life that is increasingly disappearing. Wagenstein's work primarily explores the theme of aging and older people in different societies. In this series, he combines portraits of the women with images of the landscape where they once lived. Memories and present realities intertwine, offering a visual testimony to lives in transition. The title, derived from a Yiddish expression meaning something no longer relevant, gently contradicts itself and emphasizes that these women and their stories are still important.

 

 

Doro Zinn: Future Kids

 

Leila, Coco, Mo, and İlhan are four young people who grew up in Germany as children of Muslim immigrants from Turkey and Palestine, respectively. Since 2016, Doro Zinn has been working with them on questions of identity, belonging, and representation. They navigate identities shaped by migration histories and contemporary realities, moving between gentrified neighborhoods and high-rise buildings, hip-hop and tradition, social benefits and faith. Their parents came to Germany as so-called guest workers—part of the post-war workforce that was never meant to stay. While some migrant communities were gradually integrated into Germany's social fabric, millions of Muslims continue to face systematic exclusion and racism. Through documentary photography, intimate portraits, archival footage, and personal contributions from the protagonists—including lyrics and rap songs—Zinn creates a multi-layered narrative. Together with Leila, Coco, Mo and İlhan, she questions traditional stereotypes and demands space for more differentiated, self-defined stories of a generation that is often talked about but rarely has its say.